Finanzen
Wirtschaftsforscher: Das Schlimmste der Krise kommt noch
GDN -
Deutsche Wirtschaftsforscher haben der Aussage von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier widersprochen, wonach der Höhepunkt der Krise in Europa überwunden sei. "Die Rezession setzt sich in den südeuropäischen Problemländern fort, die Schuldenstände steigen, insofern würde ich nicht sagen, dass das Schlimmste vorbei ist", sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstagsausgabe).
Auch Kai Carstensen, Konjunkturchef des Ifo-Instituts, verwies auf die hartnäckige Rezession und die Kosten der "Euro-Rettung". "Was die finanziellen Belastungen Deutschlands angeht, so steht das Schlimmste wohl noch bevor." Nach einer Berechnung des Ifo-Instituts summieren sich die jüngst vereinbarten Erleichterungen für Griechenland auf einen impliziten Schuldenschnitt zulasten der öffentlichen Gläubiger von 47 Milliarden Euro. Daran sei Deutschland mit knapp 14 Milliarden Euro beteiligt. Barnier hatte am Donnerstag vor dem Wirtschaftsrat der CDU in Berlin gesagt, dass die Euro-Länder in der Staatsschuldenkrise das Schlimmste hinter sich hätten. "Ich bin überzeugt, dass wir den Höhepunkt der Krise überwunden haben." Das heiße nicht, dass die Krise schon gelöst sei. "Wir sind erst am Anfang der zweiten Halbzeit", sagte er. Joachim Scheide, Leiter der Konjunkturabteilung am Kieler Institut für Weltwirtschaft, widersprach: "Auch in der zweiten Halbzeit kann noch viel passieren, Spiele können sogar drehen." Die Haushaltskonsolidierung sei eine lange Reise, der Sparwille könne erlahmen. In Griechenland - dessen Schuldenquote sich von 175 Prozent in Richtung 190 Prozent bewegt - sei nur der Zeitpunkt verschoben worden, an dem ein weiterer Schuldenschnitt erfolgen müsse. Die Entspannung im Euroraum hält Scheide insofern nur für vorübergehend. "Die Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern der Währungsunion ist heute größer als vor zwei Jahren", sagte er der FAZ Der ehemalige Vorsitzende des Sachverständigenrats, Bert Rürup, sagte am Donnerstagabend auf einer Veranstaltung in Frankfurt auf die Frage, ob in der Eurokrise das Schlimmste hinter uns liege: "Wir haben, was die Turbulenzen angeht, das Schlimmste hinter uns. Was die Verpflichtungen Deutschlands zu zahlen angeht, da steht das Schlimmste noch bevor." Die Eurozone werde aber in der gegenwärtigen Form, also mit Griechenland, erhalten bleiben. Das erwartet auch Bofinger. "Die Befürchtung, die es im Sommer gab, dass das Ganze auseinanderfliegt, hat sich gelegt." Hauptgrund dafür sei die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen. Einige Ökonomen gehen weiter von einem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro aus. Jürgen Michels, Europa-Chefvolkswirt der amerikanischen Großbank Citigroup schätzt die Wahrscheinlichkeit für einen Griechen-Austritt ("Grexit") in den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten auf 60 Prozent.
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