Finanzen
WTO-Chef spricht sich für höhere Löhne in Deutschland aus
GDN -
Der scheidende Chef der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, spricht sich für höhere Löhne in Deutschland und einen weniger strikten Sparkurs der Bundesregierung aus. "Deutschland hat sicher etwas Handlungsspielraum im Haushalt", sagte Lamy der "Welt am Sonntag".
Bei den Exporten werde es zu einer automatischen Korrektur kommen, sagte Lamy, dessen Amtszeit als WTO-Chef am Samstag endet. "Schon jetzt ziehen die Löhne in Deutschland stärker an als in anderen Ländern, und da ist sicher noch Luft nach oben." Ein schlechtes Zeugnis stellt Lamy seinem Heimatland Frankreich aus. "Die Franzosen halten sich für die Opfer der Globalisierung. Ein beeindruckendes Zerrbild. War Deutschland Ende der 90er-Jahre der kranke Mann Europas, ist es heute Frankreich", so Lamy. Das Land müsse wettbewerbsfähiger werden und seine öffentlichen Ausgaben reduzieren. "Die Regierung ist die Probleme angegangen. Doch das Reformtempo ist zu niedrig", mahnte er. Bei der Euro-Krise habe Europa noch einige Aufgaben zu erledigen, so der 66-Jährige: "Der schlimmste Sturm ist vorbeigezogen. Aber Europa muss dringend sein Finanzsystem reparieren. Da ist im Vergleich zu den USA viel zu wenig passiert." Der Weg, den Griechenland politisch und gesellschaftlich beschreiten müsse, "ist härter als eine Revolution", so Lamy. Deutschland trage allerdings eine Mitschuld an der Misere des Landes. "Deutschland hat bei der Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone nicht genau in die Bücher geguckt, später den Stabilitätspakt aufgeweicht. Deshalb trägt Deutschland eine Verantwortung für Griechenland. Für Fehler präsentiert die Geschichte einem eben irgendwann immer die Rechnung", sagte Lamy. Langfristig werde die Währungsunion nicht ohne ein Solidarsystem auskommen: "Europa hat durch die Krise politisch zehn Jahre verloren. Was die Frage nach einer gemeinsamen Identität angeht, leider noch mehr", sagte Lamy.
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