Finanzen

Zeitung: 600-Millionen-Airbus-Kredit vor dem Scheitern

GDN - Airbus zieht im Konflikt mit dem Bund um eine letzte Kreditrate von 623 Millionen Euro für das neue A350-Modell die Reißleine: Der Luftfahrtkonzern habe die Bundesländer mit Airbus-Standorten darüber informiert, dass er die Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium in Berlin nicht fortsetzen will, berichtet die Zeitung "Die Welt". Airbus warnt demnach vor weitreichenden Konsequenzen aus dem nun drohenden Ausbleiben der deutschen Schlussrate für Standorte und Beschäftigte.
Zur Begründung für den anstehenden Gesprächsabbruch wird auf einen gravierenden Unterschied verwiesen: Der deutsche Arbeitsanteil am neuen Langstreckenmodell A350 betrage 34 Prozent, aber Berlin habe bislang lediglich 15 Prozent der europäischen Entwicklungsdarlehen gezahlt. Airbus sei daher praktisch gezwungen, seinen deutschen Arbeitsanteil nach unten zu korrigieren. Das werde Stellen kosten und könnte Auswirkungen auf die deutschen Zulieferbetriebe haben. Hintergrund der inzwischen dreijährigen Auseinandersetzungen sind Nachforderungen des Wirtschaftsministeriums an Airbus, die an die seit 26 Monaten fällige Schlussrate gekoppelt werden. Berlin möchte die Interessen Deutschlands beim Luftfahrt-Knowhow und bei Arbeitsplätzen bereits jetzt für die künftige kleine Baureihe A30X sichern. Sie kommt erst in grob 15 Jahren auf den Markt. Nach Informationen der "Welt" schlägt Berlin vor, die nicht ausgezahlte Restsumme von 623 Millionen Euro aus dem deutschen 1,1 Milliarden Euro A350-Entwicklungsdarlehen für das A320-Nachfolgemodell umzuwidmen. Diese Vermischung von Modellen bei der Anrechnung der Darlehen lehnt Airbus jedoch strikt ab. In dem Poker um staatliche Förderpakete, Arbeitsanteile und Beschäftigtenzahlen schiebt Airbus dem Bund die Schuld zu, wenn nun Konsequenzen gezogen werden. "Nüchtern betrachtet", so heißt es in dem Airbus-Papier,"müssen die Gespräche als endgültig gescheitert angesehen werden". Berlin habe mit bislang 500 Millionen Euro Darlehen lediglich 15 Prozent des europäischen Beitrags geliefert. Frankreich steuere 1,4 Milliarden Euro zu. Es gäbe eine doppelt so hohe Stellenzahl (gut 4.000) und einen 13 Prozentpunkte höheren deutschen Arbeitsanteil an der A350 als bei Abschluss des Darlehensvertrags 2010 vereinbart. Dennoch halte Berlin Geld zurück. Zwar soll es im Mai ein praktisch unterschriftsreifes Papier zur Lösung des Konflikts gegeben haben, sogar mit einem Eigenkapitalfonds zur Stärkung der Zulieferindustrie. Doch das Bundeswirtschaftsministerium plane "nur weitere Gespräche ohne Ergebnisorientierung". Sollte Airbus tatsächlich auf die deutsche Schlussrate über 623 Millionen Euro verzichten, hätte dies mehrere Konsequenzen. Es wäre ein Triumph für Boeing und die USA, die über die Welthandelsorganisation WTO gegen das Airbus-Fördersystem zu Felde ziehen. Zudem wäre es vermutlich insgesamt das Ende des Systems zinsgünstiger Entwicklungsdarlehen im Airbus-Verbund, weil es Misstrauen über die tatsächliche Auszahlung gäbe. Das von Berlin angestrebte Ziel der Sicherung deutscher Luftfahrtinteressen im Wettbewerb mit Frankreich könnte sich zudem als Bumerang erweisen. Berlin hatte in der Vergangenheit die Höhe der Darlehen mit der Zahl von Arbeitsanteilen und Arbeitsplätzen gekoppelt. EADS-Chef Enders hätte somit einen Freibrief, den deutschen Arbeitsanteil jetzt zu reduzieren, zugunsten von Frankreich, Großbritannien und Spanien oder neuen Standorten in China und den USA. Enders ist dafür bekannt, dass er kein Freund langwieriger Entscheidungen ist. Vermutlich will er jetzt endlich Klarheit in der Hängepartie mit dem Bund. Airbus wollte auf Anfrage die vorliegenden Informationen nicht kommentieren.
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