Finanzen
Issing warnt vor Stigmatisierung Deutschlands als Sündenbock
GDN -
Der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, hat davor gewarnt, Deutschland als Sündenbock in der Euro-Krise zu stigmatisieren. "Das mit Abstand größte Risiko – zumindest politisch – ist der Eindruck, das Regime eines stabilen Euros und einer unabhängigen Notenbank sei eine deutsche Erfindung", sagte er dem "Handelsblatt" (Montagsausgabe).
Dieser Eindruck und die Einschätzung, dass man unter einem teutonischen Joch zu leiden hat, verbreite sich laut Issing in einigen Mitgliedstaaten immer mehr. "Das ist politischer Sprengstoff für die Währungsunion", sagte der Würzburger Ökonom. Er war von 1998 bis 2006 Chefvolkswirt und Direktoriumsmitglied der EZB und prägte die Notenbank maßgeblich mit. Für eine stabile Währungsunion sei eine Kontrolle außerhalb der Politik nötig, forderte Issing. Sein Lösungsvorschlag: Nur die Märkte könnten diese Aufgabe leisten, indem die Zinsen, die ein Land für seine Staatsanleihen zahlt, steigen, sobald es sich nicht an die Regeln hält. Dieser Mechanismus sei ausgeschaltet worden. Die Politik erlaube den Märkten diese Kontrolle nicht, sondern entscheidet über Hilfsmaßnahmen, die diese Signale unterdrücken und so den Reformwillen schwächen. Auch die Entscheidung, die EZB mit der europäischen Bankenaufsicht zu betrauen, kritisierte Issing scharf. Vor allem aus zwei Gründen, sagte er: wegen unvermeidlicher Konflikte mit der Geldpolitik und wegen Verwicklungen mit der Politik. "Bei der Schließung oder Rettung einer Bank geht es am Ende immer auch um Steuerzahlergeld. Finanzminister werden in der EZB ein- und ausgehen", prophezeiht Issing. "Das führt zu einer weiteren Politisierung der Notenbank – und gefährdet ihre Unabhängigkeit."
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