Finanzen
Zeitung: Viele Firmen in Deutschland unterlaufen den Mindestlohn
GDN -
In deutschen Betrieben werden branchenbezogene Mindestlöhne nach wie vor häufig unterlaufen. Dies zeigt eine neue Bilanz der Bundesregierung für das Jahr 2012, die der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstagsausgabe) vorliegt.
Danach wurde im vergangenen Jahr allein in der Bauwirtschaft in 1690 Fällen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil der Mindestlohn nicht bezahlt wurde. In der Gebäudereinigung waren es 248, in der Pflegebranche, für die es erst seit 2010 eine Mindestlohnverordnung gibt, 50 Fälle. Die Zahlen hat das Bundesfinanzministerium auf Anfrage der Grünen im Bundestag zusammengestellt. Nach diesen Angaben wurden 2012 genau 26.775 Arbeitgeber im Bauhaupt- und Baunebengewerbe kontrolliert, das verhängte Bußgeld in der Branche wegen Verstößen beim Mindestlohn beläuft sich demnach auf fast zwölf Millionen Euro. Der Grünen-Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, die die Anfrage gestellt hat, reicht das generell nicht aus: "Gerade in missbrauchsanfälligen Branchen müssen die Kontrollen deutlich verstärkt werden", sagte sie der SZ. Dies schütze die Beschäftigten vor Lohndumping und Betriebe vor Konkurrenten, die Mitarbeiter schlecht bezahlen und dann mit Billig-Angeboten seriöse Unternehmen vom Markt drängen wollten. Offene Stellen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit müssten "umgehend besetzt und das Personal weiter aufgestockt werden". Hilger Leprich, Vorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ, spricht ebenfalls von "einem dringenden Handlungsbedarf. Die Kontrollen der Mindestlöhne sind nicht ausreichend. Wenn ich einen Schlachthof habe, müssen unsere Leute dort eigentlich ein bis zweimal im Jahr auftauchen", sagte er der Zeitung. Als die Finanzkontrolle Schwarzarbeit unter Schäubles Vorvorgänger Hans Eichel (SPD) geschaffen wurde, sei von der Kontrolle der Mindestlöhne gar nicht die Rede gewesen. Nun müssten die Zollbeamten diese Aufgabe zusätzlich übernehmen, obwohl nicht einmal die von Eichel vorgesehene Zahl der Planstellen von 7.000 erfüllt sei. Leprich fordert Bundesfinanzminister Schäuble deshalb auf, "sich zu überlegen, ob er mit diesem Feigenblatt so weitermachen oder die Kontrollen neu ausrichten will". Er verlangt zumindest für den Anfang wenigstens 500 Betriebsprüfer extra, die sich nur um die Mindestlöhne kümmern sollten. Auch Klaus Wiesehügel, Vorsitzender der Gewerkschaft IG BAU, plädiert für mehr Personal. 8.000 Beamte hält er in der Finanzkontrolle Schwarzarbeit für nötig. "Und diese müssten mehr als bisher auf die Baustellen gehen, statt nach Aktenlage am Schreibtisch zu arbeiten", sagte er. In Deutschland sind bislang in 13 Branchen für knapp fünf Millionen Beschäftigte Lohnuntergrenzen vereinbart. Die Friseure kommen mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro jetzt dazu. Für die Überwachung sind die Beamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls zuständig. In einer Antwort auf eine weitere Grünen-Anfrage gab das Finanzministerium an, dass von den 6769 ausgewiesenen Planstellen für 2013 in der FKS Schwarzarbeit "rechnerisch 495 Planstellen am 1. Juni 2012 unbesetzt" gewesen seien. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte dazu: In einer großen Verwaltung gebe es bei den Planstellen immer einen "gewissen Überhang", sonst wären keine Bewerbungen auf Dienstposten und keine normale Personalfluktuation möglich. Es gebe aber auch das Problem, "dass sich nicht genügend qualifizierte Bewerber auf die Planstellen finden".
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