Finanzen
Kapitalflucht aus der Türkei nach Deutschland nimmt zu
GDN -
Viele Türken bringen wegen des Absturzes der türkischen Lira und der schweren Finanzkrise im eigenen Land ihr Geld in den sicheren Hafen Deutschland. Allein zwischen April und Juni stieg der Kapitalzufluss aus der Türkei nach Deutschland um 4,57 Milliarden Euro, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP hervorgeht, über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben) berichten.
"Es spricht einiges dafür, dass sich die Kapitalflucht im dritten Quartal verschärft hat", sagte der Vizechef der Liberalen im Bundestag, Florian Toncar. Darunter dürften viele Privatpersonen sein, die ihr Geld aus Angst vor einem weiteren Lira-Verfall ins Ausland schafften. Der sich derzeit auf Staatsbesuch in Deutschland aufhaltende türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan macht die USA und die westlichen Finanzmärkte für die Krise und den Lira-Absturz verantwortlich. Im August hatte er seine Landsleute aufgefordert, angesichts des Kursverfalls der Lira Euro und Dollar in die Landeswährung zu tauschen. Wie der FDP-Finanzexperte Toncar berichtet, versucht die Türkei auch, über eine Sondersteuer auf Bankguthaben in ausländischer Währung sowie mit der Vorgabe an türkische Unternehmen, Exporterlöse, die sie in ausländischer Währung einsammeln, zu mindestens 80 Prozent in türkische Lira umzutauschen, die eigene Währung zu stabilisieren. Das führe dazu, dass das Vertrauen in die Lira sinke und noch mehr Kapital ins Ausland abgezogen werde. Nach Angaben der Bundesregierung haben deutsche Banken und Versicherer insgesamt 20,77 Milliarden Euro an Krediten in der Türkei vergeben. Das entspricht weniger als 0,3 Prozent der Bilanzsumme des deutschen Bankensektors, wie das Finanzministerium in der Antwort erklärt. Allerdings sind nur knapp 50 Prozent der Kredite gegen Zahlungsausfälle besichert. "Wenn es zu einem Absturz der Türkei kommt, könnten die deutschen Banken das verkraften", sagte Toncar den Funke-Zeitungen. Er hält es für denkbar, dass der türkische Präsident mittelfristig Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) annehmen wird. "Erdogans Strategie in der Finanzkrise ist darauf angelegt, mit seiner AKP die Kommunalwahlen im Frühjahr 2019 zu gewinnen, und bis dahin einen Kotau vor dem Ausland zu vermeiden." Der Berlin-Besuch diene dazu, "psychologisch beruhigende Signale" an Investoren auszusenden und zu zeigen, dass die Türkei trotz des Konflikts mit den USA noch Freunde im Westen habe. Das überdecke aber nicht die großen wirtschaftlichen Probleme: "Egal, was Erdogan macht, die Türkei wird an einer schweren Rezession nicht vorbeikommen." Die Bundesregierung betont in ihrem Schreiben, der IWF beobachte die Wirtschaftslage in der Türkei und werde "wenn nötig entsprechende Empfehlungen zur Stabilisierung des Landes geben sowie mögliche Ansteckungseffekte auf andere Länder thematisieren". Ein Antrag für ein IWF-Hilfsprogramm sei aber unabhängige Entscheidung der Türkei.
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