Finanzen
Lebensmittelwirtschaft plant Schlichtungsstelle
GDN -
Die Hersteller und Händler von Lebensmitteln in Deutschland planen eine gemeinsame Mediationsstelle, um Streit über Lieferbedingungen neutral schlichten zu können. "Wir wünschen uns innerhalb der Branche die Möglichkeit zur Mediation, um Problemfälle zu lösen", sagte Jürgen Abraham, der Vorsitzende der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE), im Interview mit der "Welt".
Der Handel zeigt sich offen für diese Anregung. "Gesprächen darüber verschließen wir uns nicht", versicherte Josef Sanktjohanser, der Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE). Das gehe zwar nicht mal eben so, schließlich würden auch wettbewerbsrechtliche Aspekte eine Rolle spielen. "An den Grundlagen können wir aber gerne arbeiten." Die Ernährungsindustrie klagt schon seit Jahren über die Marktmacht der wenigen Lebensmittelhändler in Deutschland. Das Bundeskartellamt arbeitet daher aktuell an einer Sektoruntersuchung. "Die Hersteller schlucken so manche Kröte, um eine Listung nicht zu verlieren", sagte Abraham. Der HDE allerdings wehrt sich. "Es gibt keine einseitige Nachfragemacht", versicherte Verbandschef Sanktjohanser. Das habe auch die Monopolkommission schon festgestellt. Außerdem sei der Handel auch mit großen Markenanbietern konfrontiert, die unverzichtbar sind und daher ihre Lieferbedingungen vorgeben. Einmütig zeigen sich die beiden Verbandschefs bei der Bewertung der jüngsten Lebensmittelskandale mit Pferdefleisch in Fertiggerichten, falsch deklarierten Eiern und Schimmelpilzen in Futtermitteln. "Industrie und Handel tragen keine pauschale Schuld an den Vorfällen der vergangenen Wochen", sagte Abraham. Verantwortlich seien Kriminelle, die insbesondere aus Habsucht Produkte manipuliert haben. "Deswegen die gesamte Branche mit ihren 4,3 Millionen Mitarbeitern zu verteufeln, ist nicht fair und in meinen Augen höchst unsachlich." Gegen kriminelle Machenschaften sei man nahezu machtlos, sagte Industrievertreter Abraham. "Dann müssen wir Einzelprodukt-Kontrollen machen. Das ist aber schlichtweg nicht möglich." Handels-Präsident Sanktjohanser kritisierte die Politik, die undifferenziert und unsachlich reagiert und zum Teil schlicht Unwahrheiten verbreitet habe. "Wer hat denn die Unregelmäßigkeiten aufgedeckt? Industrie und Handel mit ihren Eigenkontrollen, nicht die staatliche Wirtschaftskontrolle. Die nämlich ist höchst lückenhaft und defizitär. So wird es Kriminellen viel zu einfach gemacht." Sanktjohanser forderte zusätzliche staatliche Kontrolleure. "Es fehlen mindestens 1.500 bis 2.000 Beamte. Mit diesem zusätzlichen Personal würde der Kontrolldruck erhöht und für die notwendige Abschreckung gesorgt." Verschärfte Kennzeichnungspflichten lehnen sowohl die Industrie als auch der Handel ab. "Kriminelle Machenschaften werden dadurch nicht verhindert", sagte HDE-Vertreter Sanktjohanser. Und auch der Verbraucher habe dadurch keinen Mehrwert. "Untersuchungen haben gezeigt, dass die überwiegende Mehrheit die Hinweise ohnehin nicht liest."
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