Finanzen

Früherer EZB-Chefökonom Jürgen Stark kritisiert Zypern-Ultimatum

GDN - Der frühere EZB-Chefökonom Jürgen Stark hat das Zypern-Ultimatum der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich kritisiert. Das Ultimatum aus Frankfurt zeige vor allem, wie sehr die EZB inzwischen politisiert sei.
"So kann man als politische Institution vorgehen, nicht aber als unabhängige Zentralbank", sagte Stark im Gespräch mit der "Welt". "Die EZB macht sich dadurch politisch sehr angreifbar. Eine Notenbank darf sich nie in die Lage bringen, dass sie für den Kollaps eines Finanzwesens verantwortlich ist und das Wohl und Wehe des gesamten Systems an ihr hängt." Der EZB-Rat hat der Regierung in Zypern damit gedroht, ab dem 25. März keine Notfallliquidität (ELA) mehr zur Verfügung zu stellen, falls sich das Land bis dahin nicht auf ein Hilfsprogramm mit den Euro-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds einigt. Stark zeigte sich davon überzeugt, dass die Warnung aus Frankfurt keine leere Drohung ist: "Falls sich nichts oder nicht genug tut, wird die EZB die ELA-Hilfen stoppen. Es gibt diesmal keine rettende Hintertür mehr", sagte er. Die Folge werde erst ein Kollaps des zyprischen Bankensystems und kurz darauf des gesamten Landes sein. Die Konsequenzen für das Euro-Gebiet seien allerdings sehr überschaubar, da Zypern nicht systemrelevant sei. Dazu seien das das wirtschaftliche Gewicht des Landes in Europa und seine finanziellen Verflechtungen mit anderen Ländern außer Griechenland zu gering. "Die europäische Politik hat sich mit dem Gerede von einer Systemrelevanz in eine Sackgasse manövriert", kritisierte Stark weiter. Hart ging der frühere EZB-Chefökonom auch mit dem ursprünglichen Plan ins Gericht, selbst zyprische Spareinlagen unter 100.000 Euro für die Rettung des Landes zu belasten. "Das war ein Tabubruch, der niemals hätte passieren dürfen", so Stark. Seitdem sei viel Vertrauen verspielt worden, nicht nur in Zypern, sondern europaweit. Skeptisch äußerte sich der frühere Notenbanker über die langfristigen Folgen der jetzigen Zentralbankpolitik. "Die Ära der monetären Dominanz durch unabhängige Zentralbanken geht gerade zu Ende, nicht nur in Europa, auch in den USA oder Japan." Die Geschichte zeige aber: Wann immer sich Zentralbanken unter das Regime der Fiskalpolitik begeben haben, führte das zu höherer Inflation. "Mittelfristig rechne ich fest mit höherer Inflation", so Stark weiter. "Möglicherweise werden wir sogar Teuerungsraten wie in den unrühmlichen 70er-Jahren erleben." Die kalte Enteignung gerade deutscher Sparer laufe weiter und werde möglicherweise noch intensiviert: "Ich rechne auf mittlere Sicht mit deutlich höheren Inflationsraten bei gleichzeitig sehr niedrigen Zinsen. Die Differenz wird sich womöglich sogar noch vergrößern und die Realzinsen werden negativ bleiben. Für Sparer sind das schlechte Aussichten."
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.